Augenblick in Endlosschleife 

Akeem Smith, »Social Cohesiveness«, 2020, Installationsansicht »Unbound«, Julia Stoschek Foundation, Foto: Alwin Lay
MuseumsJournal 1/24
Was verändert sich, wenn Performances nicht mehr live, sondern für die Kamera stattfinden? Eine Ausstellung zeigt die Schnittstellen, Brüche und Leerstellen

Die Performance als künstlerischer Ausdruck veränderte Mitte des 20. Jahrhunderts das westliche Kunstverständnis entscheidend: Den menschlichen Körper sowie die Erfahrungen des Publikums radikal in den Fokus der künstlerischen Praxis zu stellen, löste die Trennung zwischen Kunstobjekt, Künstler*in und Publikum auf. Für viele Künstler*innen war der performative Einsatz des Körpers zentral, um auf gesellschaftliche und persönlich erlebte Formen von Diskriminierung, wie Sexismus und Rassismus, aufmerksam zu machen.  

Etwa zur gleichen Zeit markierte das Aufkommen des Videos eine weitere wegweisende Veränderung. Die neue Medientechnologie demokratisierte die Art und Weise, wie wir Bilder unserer Körper und Bewegung aufzeichnen, bearbeiten und präsentieren – eine Entwicklung, die die frühen Video-Experimente mit dem heutigen Verständnis von sozialen Medien und dem Umgang mit den selbst geschaffenen Bildwelten verbindet.   

Vor diesem historischen Hintergrund beleuchtet »Unbound: Performance as Rupture« in der Julia Stoschek Foundation zum einen die Befreiung der Kunst durch Performance und Video und zum anderen die Befreiung eben jener Künstler*innen, die bisweilen durch Ideologien der Unterdrückung und restriktive Identitätskonstrukte aus dem kunsthistorischen Kanon ausgeschlossen wurden. Zu sehen sind 37 Werke aus den 1960er-, 1970er- und 1980er-Jahren bis hin zu Positionen aus der Gegenwart, neben Dokumentationen von Performances auch Arbeiten, die eigens für die und vor der Kamera performt wurden.  

Diese Ausschlüsse sind Ausgangspunkt der Ausstellung, in der Künstler*innen verschiedener Traditionen und Communitys als »coconspirators« (Mitverschwörer*innen) versammelt werden – ein Begriff, der auf den Performancehistoriker Uri McMillan zurückgeht. Einerseits entlarven viele Arbeiten die Gewalt des männlichen und kolonialen Blicks, der von der Kamera aufrechterhalten wird, und reagieren darauf, andererseits kreieren sie raum- und zeitübergreifende Verbindungen, die nur mithilfe von zeitbasierten Technologien sichtbar werden können.  

Mit der Schau versuchen wir als Stiftung und als kuratorisches Team, den eurozentrischen Blick auf die Geschichte der Performance- und Videokunst kritisch aufzuarbeiten, ohne dabei zu vergessen, dass auch dieses Unterfangen nicht vollständig gelingen kann. Der Ausstellungstitel weist direkt auf diese Unvollständigkeit hin: auf die Risse, Brüche und Leerstellen jedes Narratives sowie die disruptive Kraft des Körpers und der Kunst.   

 

TextLisa Long, künstlerische Leitung

 

»Unbound. Performance as Rupture«
bis 28. Juni 2024
Julia Stoschek Foundation

 

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