Wünsch dir was
Sie gilt in vielerlei Hinsicht als Pionierin: Yoko Ono will den Blick auf die Welt verändern und fordert im Gropius Bau zum Mitmachen auf.
Angesichts ihres Weltruhms würde man es kaum vermuten, doch Yoko Ono ist eine Künstlerin der einfachen Dinge. Ihr wegweisendes Œuvre basiert auf der Kraft von Ideen, festgehalten in Form von knappen Anleitungen, die uns einladen, den Blickwinkel zu verändern oder kleine Handlungen mit potenziell großem Nachhall auszuführen. Mit dieser Praxis hat Yoko Ono Kunstgeschichte geschrieben. Bis heute ist das weit weniger bekannt als die Tatsache, dass sie als Ehefrau von John Lennon und dessen künstlerische Partnerin ab den späten 1960er-Jahren die internationalen Bühnen eroberte. Damit ist aber nur ein kleiner Teil ihrer Geschichte erzählt. Denn was wir aus dieser Zeit von ihr kennen – und was lange John Lennons Einfluss zugeschrieben wurde – hat seine Wurzeln in einem radikalen und provokanten Werk, das Ono bereits ab Mitte der 1950er-Jahre entwickelt hat und bis heute fortführt.
Mit »Yoko Ono: Music of the Mind« präsentiert der Gropius Bau eine umfassende Überblicksausstellung zu Onos Œuvre. Über 200 Werke unterschiedlichster künstlerischer Ausdrucksformen – Instruktionen, partizipative Malereien, Zeichnungen, Performances, Objekte, Filme, Musik und großformatige Installationen – füllen das erste Obergeschoss und den Lichthof. Ergänzt wird die Ausstellung durch teils unveröffentlichtes Archiv- und Dokumentationsmaterial, das einen tiefen Einblick in sieben Jahrzehnte ihres künstlerischen Schaffens gibt. Angefangen mit der »Chambers Street Loft Series«, einer Reihe von Konzerten, Performances und Events, zu denen sie 1960/61 gemeinsam mit La Monte Young die New Yorker Avantgarde aus Kunst und Musik einlud, setzte Ono wichtige Wegmarken in der Konzeptkunst, im Fluxus und in der Performance. Schon früh vermischten sich in ihrem Werk konzeptuelle Stringenz, Sympathie für das Absurde und ein stiller Humor auf besondere Weise.
Im Zentrum der Schau stehen die Besucher*innen: Von Beginn an hat Ono Werke entwickelt, die darauf ausgelegt sind, von anderen realisiert oder vollendet zu werden. Und so ist das Publikum eingeladen, Kunstwerke zu aktivieren, sich mit seinen Wünschen und Ideen einzubringen oder auf Gedankenspiele einzulassen. »Painting to Shake Hands« (1961) animiert Menschen, sich anonym die Hand zu schütteln; in der Installation »Add Color (Refugee Boat)« (1960/2016) können sie ihre Gedanken zu Flucht und Vertreibung hinterlassen, und die raumgreifende Arbeit »My Mommy Is Beautiful« (1997) wird dank der Notizen der Besucher*innen zu einer persönlichen Hommage an alle, die wir als Mütter bezeichnen. Im frei zugänglichen Lichthof des Gropius Baus wird eine große Installation mit Onos »Wish Tree for Berlin« (1996/2025) zu sehen sein. Inspiriert von der buddhistischen Tradition, bittet Ono die Besucher*innen, ihre Wünsche aufzuschreiben und auf den Bäumen zu hinterlassen. So wird sich die Ausstellung verwandeln und wachsen. Indem sich Onos Kunst dem Publikum und seinen Interessen öffnet – ein Ansatz, der gleichermaßen im Zentrum des Programms im Gropius Bau steht – wird ihr Werk radikal politisch.
Diese Grundidee spiegelt sich auch in ihren Performances, die heute zum Kanon der Kunstgeschichte zählen. 1964 führte Ono erstmals ihr legendäres »Cut Piece« auf. Sie saß in ihrer besten Kleidung, mit einer Schere vor sich, auf einer ansonsten leeren Bühne. Das Publikum wurde gebeten, einzeln die Bühne zu betreten und ihr nach Belieben Teile der Bekleidung vom Leib zu schneiden. Die Spannung zwischen der Großzügigkeit dieser Geste und dem voyeuristischen Begehren der Teilnehmer*innen beschreibt bis heute eine zentrale Frage in der Performancekunst: Wie geht man mit dem Körper um, der auf der Bühne zum Gegenstand der Betrachtung und damit zu einem Objekt wird? Wie kann man sich, gerade als Künstlerin, davon freimachen? Diese Fragen wird die kanadische Musikerin Peaches am 2. Mai mit der Aufführung von »Cut Piece« greifbar machen. Getragen vom emanzipatorischen Geist der späten 1960er-Jahre konzipierte Ono auch zahlreiche Filme und Ausstellungsprojekte, die sich feministischen Anliegen und insbesondere der Rolle der Künstlerin widmeten.
Ein weiterer roter Faden in Onos Schaffen ist ihr Einsatz für den Weltfrieden. Am bekanntesten sind Aktionen wie die »Bed-Ins for Peace« (1969), für die Ono und Lennon in ihren Flitterwochen Vertreter*innen von Presse, Politik und Kultur in ihr Hotelzimmer einluden, um über den Vietnamkrieg und dessen mögliche Beendigung zu sprechen. Ihre Plakatkampagne »War Is Over! If You Want It« wurde seit 1969 rund um die Welt präsentiert. Auch Objekte wie die »White Chess Sets« (1966), weiß-in-weiß gehaltene Schachspiele, widmen sich dieser Thematik. Die Anleitung für diese Arbeit lautet: »Spiele so lang, wie Du Dich erinnerst, wo Deine Figuren stehen«. So machte sich Ono schon früh dafür stark, mehr über das Miteinander als das Gegeneinander nachzudenken – eine Aufforderung, die bis heute nichts an Relevanz verloren hat.
Berlin ist für Ono seit vielen Jahren ein besonderer Ort: »Ich liebe Berlin und war schon so oft hier. Berlin ist Teil meines Körpers!« Umso mehr freut es uns, dass ihr Schaffen dieses Frühjahr von drei Institutionen in der Stadt gemeinsam gefeiert wird: Während der Neue Berliner Kunstverein (n.b.k.) seit Anfang März das Werk »Touch« als Teil seiner n.b.k.-Billboard-Reihe zeigt, eröffnet die Neue Nationalgalerie mit »Yoko Ono: Dream Together« eine Präsentation mit Werken der Künstlerin, die sich auf Aspekte des Miteinanders konzentrieren. Willkommen in der Yoko Ono Season!
Text – Patrizia Dander, stellvertretende Kuratorische Direktorin
Yoko Ono: Music of the Mind
11. April bis 31. August 2025
Gropius Bau