Bilder, die befreien können

Tyler Mitchell, »Motherland Skating«, 2019
Tyler Mitchell, »Motherland Skating«, 2019 © Tyler Mitchell, Courtesy of the artist S. 41 Tyler Mitchell, » Atlanta« – i-D Magazine Sept 21«, 2021 © Tyler Mitchell, Courtesy of the artist
Museumsjournal 3/24
Tyler Mitchell ist der erste Schwarze, der ein Cover für die Modezeitschrift »Vogue« schoss. Seine Fotos transportieren auch politische Botschaften

Der amerikanische Fotograf Tyler Mitchell (1995) spürt Träumen vom Paradies nach, in denen Selbstbestimmung und die besondere Atmosphäre alltäglicher Situationen im Fokus stehen. Bereits als Teenager begeisterte er sich für das Skateboarden.

 

Er studierte Film und Fernsehen an der New York University und veröffentlichte 2015 im Selbstverlag sein erstes Buch »El Paquete« über die Skaterszene und Architektur in Havanna, Kuba. Darin werden die gewagte Verwendung von Farbe und sein authentischer Blick auf Mode sichtbar. Im Jahr 2018 erhielt Mitchell den Auftrag, die Sängerin Beyoncé für die amerikanische Modezeitschrift »Vogue« zu fotografieren und schrieb im Alter von 23 Jahren Geschichte als erster Schwarzer Fotograf, der ein Coverfoto für das Magazin aufnahm.

 

Mitchells Anliegen ist es, das Leben Schwarzer Menschen echt und unverfälscht darzustellen. Seine erste Einzelausstellung in Deutschland bei C/O Berlin umspannt fast ein Jahrzehnt und verdeutlicht den Einfluss der »New Black Vanguard« – eine vom amerikanischen Schriftsteller Antwaun Sargent so bezeichnete Bildproduktion Schwarzer Künstler*innen, deren Fotografie zwischen Kunst und Mode angesiedelt ist.

 

Geprägt von digitalen Plattformen wie Tumblr, auf denen Kunst und Alltagskultur nebeneinander existieren, verschmelzen in Mitchells Arbeiten die Genres Porträt- und Modefotografie und spiegeln seine Vision utopischer Räume für Schwarze Jugendliche wider. Gerade in einer Zeit, in der die Gewalt gegen Schwarze Menschen immer stärker in den Blick rückt, können Mitchells Arbeiten auch als eine Art Selbstschutz und ein Weg zu persönlicher Freiheit gesehen werden.

 

So verbinden sich in seinen Videos »Wish This Was Real« und »Chasing Pink, Found Red« paradiesische Szenen, etwa eines sommerlichen Picknicks in einer idyllischen Landschaft, mit unserem Wissen um soziale Spannungen und prekäre Lebensrealitäten der Schwarzen Bevölkerung in den USA. In der Fotoserie »Dreaming in Real Time« stellt Mitchell die Idee der »postkolonialen Idylle« als romantische Beschwörung eines traumatisch belasteten Landes dar. Seine Bilder zeigen Augenblicke des Spiels, der menschlichen Verbundenheit, der familiären Beziehungen, die trotz oder gerade wegen der Unterdrückung existieren. Auch von dem Regisseur und Fotografen Gordon Parks und dessen Auseinandersetzung mit dem Zuhause als Ort des kosmologischen Gedächtnis ließ sich Mitchell inspirieren und schuf Bilder, in denen er Kleidungsrituale, Formen der Selbstdarstellung und Ahnenverehrung reflektiert. Mit seinen neuesten Arbeiten erweitert Mitchell schließlich die Grenzen der fotografischen Präsentation, indem er Sublimationsdrucke auf Stoffen und Spiegeln anfertigt.

 

Die Ausstellung ist in drei lose Themenbereiche gegliedert: Porträt, Jugend und Mode in »Lives/Liberties«, dann Landschaft als Ort der Freizeit und Gemeinschaft in »Postcolonial/Pastoral« und schließlich die Bewahrung des sozialen Gedächtnisses in »Family/Fraternity«. Im Zentrum der Ausstellung ist mit »Altars/ Acres« eine generationenübergreifende Werkauswahl von Künstler*innen wie Carrie Mae Weems, Garrett Bradley und Baldwin Lee zu sehen, mit denen Mitchell ein tiefes Gefühl der Verwandtschaft und des Dialogs verbindet.

 

Text – Brendan Embser, Senior Editor bei Aperture Sophia Greiff, Kuratorin und Co-Programmleitung bei C/O Berlin

 

Tyler Mitchell. Wish This Was Real

bis 5. September 2024

C/O Berlin

co-berlin.org

Latest News

Hier können Sie das Museumsjournal abonnieren