»Wir müssen unsere Kooperationen radikal interdisziplinär und global denken« – Interview Marion Ackermann, Präsidentin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz

Marion Ackermann, die neue Präsidentinder Stiftung Preußischer Kulturbesitz
© Jérôme Depierre
Museumsjournal 3/25
Sie ist neu an der Spitze der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Marion Ackermann spricht über Digitalisierung, Teamgeist und die Relevanz von Bildung und Vermittlung. Wie die Präsidentin die Museen und Einrichtungen der SPK in den kommenden Jahren noch mehr zum Strahlen bringen will

Es war nicht einfach, einen Interviewtermin mit Marion Ackermann zu bekommen. Schon vor dem offiziellen Amtsantritt am 1. Juni als neue Präsidentin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), in der Nachfolge von Hermann Parzinger, war Ackermanns Terminkalender eng getaktet. In einer dreimonatigen Übergangsphase zog die designierte Präsidentin im Frühjahr mit einem »wandernden Schreibtisch« durch alle Abteilungen der Stiftung mit ihren 25 einzelnen Instituten, Museen, Archiven und Bibliotheken, um sich mit den anstehenden Aufgaben vertraut zu machen. Mitte April nahm sie sich dennoch Zeit für Fragen zu ihren programmatischen Schwerpunkten für die kommenden Jahre, die Finanzierung und die Langzeitbaustellen der SPK. Kurz nach dem Interview flog die vielbeschäftigte Kulturmanagerin für ein paar Tage ins kalifornische Silicon Valley, um dort ansässige Technologieunternehmen zu besuchen. Denn die Digitalisierung wie die internationale Vernetzung will die Präsidentin massiv vorantreiben.

 

Museumsjournal: Frau Ackermann, in Dresden hatten Sie Ihr Büro in einem Schloss mitten in der Stadt. Nun arbeiten Sie in einer Villa am südlichen Rand des Tiergartens. Wie gefällt es Ihnen hier?

Marion Ackermann: Die Villa von der Heydt ist ein beeindruckendes Haus mit einer bewegten Geschichte. Es wurde im 19. Jahrhundert als eine der ersten Villen des Tiergarten-viertels erbaut, allerdings 1944 durch einen Bombenangriff stark zerstört und erst Mitte der 1970er-Jahre wiederaufgebaut. Dass es in der Nachbarschaft heute viele Botschaften gibt, finde ich wunderbar, denn ich will die Internationalisierung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) weiter vorantreiben. Manchmal wirkt der schöne Garten etwas verlassen. Aber hier haben auch schon Mitarbeiterfeste stattgefunden, und da die Villa nach Renovierungsarbeiten nun wieder gerüstfrei ist, können wir diese Tradition wieder aufleben lassen. Und wenn das Bauhaus-Archiv in direkter Nachbarschaft nach Sanierung und Erweiterung wiedereröffnet ist, dann gibt’s auch ein bisschen mehr Leben in der Straße.

Als Amtssitz der Präsidentin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat die Villa eine repräsentative Funktion.

Mit dem Gebäude ist vieles denkbar. Auf jeden Fall will ich nicht nur von hier aus arbeiten. Ganz im Gegenteil. Die Idee des »wandernden Schreibtisches«, mit dem ich in diesem Frühjahr durch verschiedene Häuser gezogen bin, liefert eine Art Kompass für meine Zeit als SPK-Präsidentin. Ich sehe mich in dieser Rolle als Partnerin und Unterstützerin der Einrichtungen der SPK. Dazu gehört für mich, dass ich Ressourcen sichere und die einzelnen Erzählungen miteinander verbinde. Ich sammle Geschichten in den vielfältigsten Konstellationen ein und bringe sie zusammen. Und dafür muss ich natürlich nah am Geschehen sein.

Institutionen sind geprägt von den Men-schen, die dort arbeiten. Welcher Geist ist Ihnen in diesem Frühjahr während der ersten Wochen bei der SPK begegnet?

Ich bin mit offenen Armen aufgenommen worden. Und was offensichtlich ist: In der Stiftung gibt es eine hohe Motivation und auch Identifikation mit der eigenen Tätigkeit. Die Menschen sind engagiert, arbeiten wirklich intensiv und glauben auch stark an das, wofür wir stehen. Andererseits wird oft unter schwierigen Bedingungen gearbeitet, gerade weil die viele Arbeit strukturell von zu wenig Personal geleistet werden muss. Umso wichtiger sind die Anerkennung und Wertschätzung für das Geleistete. Und natürlich kann Motivation auch durch gemeinsame Erfolge entstehen.

Welche großen programmatischen Leit-themen möchten Sie in Ihrer Amtszeit verfolgen?

Erstens möchte ich die Internationalisierung stärken und die globalen Partnerschaften ausbauen. Damit ist auch die Frage verbunden, inwieweit die SPK Deutschland repräsentiert. Ich sehe in der Stiftung das föderal-demokratische, vielfältige Deutschland gespiegelt. Für den Kulturbereich ist das besonders wichtig. Denn durch das föderale System wird genau jene Vielfalt hervorgebracht, die unsere pluralistische Demokratie ausmacht. Gerade jetzt ist ein wichtiger Moment, um offensiv zu zeigen, wie aus der Vielfalt in diesem kulturell reichen Land Freiheit erwächst. Deshalb ist es wichtig, dass hier in Berlin auch die Erfolgsgeschichten aus den anderen Bundesländern erzählt werden.

Was ist Ihnen noch wichtig?

Bildung und Vermittlung. Wenn man sich die katastrophal geringe Anzahl der Stellen in diesem Bereich ansieht, dann mag man das gar nicht glauben. Gleichzeitig sind die Erwartungshaltungen gewachsen, und es hat auch eine immer weitergehende Ausdifferenzierung in Bezug auf das Publikum stattgefunden. Wenn sich also mehrere Einrichtungen der Stiftung eine halbe Stelle für Bildung und Vermittlung teilen, dann ist das ganz klar zu wenig. Um diesen Bereich voranzubringen, werde ich in den nächsten Jahren meine Kraft und meine Netzwerke einsetzen. Da muss einfach etwas passieren, und das war ja auch ein Ansatzpunkt der Reform. Dafür wollen wir auch die Mittel nutzen, die dank des neuen Finanzierungsabkommens, das der Bund und die Länder im März unterzeichnet haben, zur Verfügung stehen.

Nicht nur für Vermittlung braucht es finanzielle Mittel.

Zu meinen Kernthemen gehört natürlich auch die Ressourcenerweiterung jenseits der staatlichen Förderung. Zusätzliche staatliche Unterstützung brauchen wir auch unbedingt. Aber ich werde parallel versuchen, das private Engagement noch stärker auszubauen. Last but not least: Bis Ende des Jahres muss die Reform der SPK zum Abschluss gebracht werden.

Ende des Jahres? Das klingt optimistisch.

Wir sind da auf einem guten Weg, die strukturellen Veränderungen sind fast alle abgeschlossen. Aber danach geht ja der »Change-Prozess« eigentlich erst richtig los. Dafür braucht es eine Strategie, die einen Rahmen vorgibt, und ein »Change-Management«. Das darf man nicht unterschätzen, es dauert sicher einige Jahre. Der sogenannte Strategieprozess hat zwar bereits begonnen, aber meine Aufgabe ist es, ihn intensiv voranzutreiben und inhaltlich zu konkretisieren. Das bedeutet unter anderem, die Felder zu definieren, die die unterschiedlichen Einrichtungen der Stiftung im Inneren zusammenhalten. Die Strategie verdeutlicht, warum die SPK eine Einheit ist. Das ist Teil eines klassischen Markenbildungsprozesses.

Was ist damit gemeint?

Mir geht es nicht darum, dass man in autoritärer Art und Weise an einem Logo arbeitet und dann allem von oben einen einheitlichen Stempel aufdrückt. Ich denke eher an einen Markenbildungsprozess nach dem »Bottom-Up-Prinzip«, also von unten nach oben. Das heißt, dass die Strahlkraft aller Einrichtungen erhöht wird, auch international. Für mich hängt damit aber auch die Gesamtstrategie zusammen: Wie bringen wir die einzelnen Einrichtungen mehr zum Strahlen? Und wie lautet die gemeinsame Erzählung?

Gibt es ein Beispiel für solch eine gemeinsame Grundhaltung?

Ich finde es beispielsweise wichtig, dass im Museum nicht nur die klassischen inhaltlichen Bereiche wie Forschung und Vermittlung und das Ausstellen im Vordergrund stehen, sondern dass alle Berufe sichtbar werden, die in dem Gesamtgefüge eine Rolle spielen. In meiner Zeit in Sachsen bin ich etwa darauf aufmerksam geworden, dass es gut wäre, »Daycleaning«, also Reinigung während des laufenden Betriebs, einzuführen. Das heißt, dass auch diese Arbeit und diejenigen, die saubermachen, sichtbar werden. Deshalb finde ich es toll, wenn das Museum Europäischer Kulturen eine Ausstellung mit dem Titel »Kehrarbeit« plant. Genau das ist das Thema. Ich möchte es befördern, dass solche Aspekte nicht nur in einer Ausstellung thematisiert werden, sondern dass die Stiftung insgesamt eine bestimmte Grundhaltung lebt. Die Sichtbarmachung der handwerklichen Berufe beschäftigt mich schon länger. Wir betreiben viele Werkstätten. Bei uns arbeiten viele Handwerkerinnen und Handwerker. Können sie noch stärker in Erscheinung treten? So eine Perspektive begreife ich als Teil einer gemeinsamen Wertebasis.

Das große Ereignis in diesem Jahr sind die Feierlichkeiten zu 200 Jahren Museums-insel. Fünf Jahre lang will die SPK diesen einzigartigen Ort der Weltkultur feiern.

Das Jubiläum birgt große Chancen. Wir werden die Museumsinsel von allen Seiten beleuchten. Die Menschen kommen gerne an diesen tollen Ort. Auf mich wirkt die Insel wie ein kleines Stück Venedig in Berlin. Und es ist einfach eine tolle Geschichte, wie dieser Ort über die Jahrhunderte gewachsen ist. Wir können das Jubiläum nutzen, um die Historie auf neue Weise auch für jüngere Generationen zu vermitteln. So machen wir klar, warum man die Museums-insel besuchen sollte.

Beginnt mit der Museumsinsel eine neue Erzählung der SPK?

Ich sehe das als eine Riesenchance. Und es ist eine starke Marke. Unsere Häuser, das sind die Marken der Stiftung. Die einen strahlen schon sehr hell, andere könnte man noch mehr ins Licht rücken. Das möchte ich gern unterstützen und auch nach Möglichkeiten der Verknüpfung im SPK-Verbund suchen.

Das populäre Pergamonmuseum ist wegen Sanierung derzeit geschlossen. Das Haus soll 2037 wieder vollständig öffnen, vielleicht aber auch erst 2043. Danach ist die Sanierung des Alten Museums an der Reihe. Berlin ist nicht gerade berühmt für die zügige Abwicklung von Bauvorhaben dieser Größenordnung. Wie sehr wird Sie das Baugeschehen beschäftigen?

Das Baugeschehen spielt natürlich eine große Rolle. Es geht dabei ganz stark um den Erhalt und die Ertüchtigung von historischem Bauerbe, teils Welterbe. Zusammen mit dem Vizepräsidenten und mit der zentralen Serviceeinheit ist das ein wichtiger Teil meiner Arbeit. Und dabei hilft natürlich die sehr gute Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Bauwesen und Raum-ordnung (BBR), das die meisten Bauaufgaben der SPK betreut. Diese Kooperation ist über Jahrzehnte gewachsen und funktioniert hervorragend. Aber wir sind bei den Bauaufgaben in einem permanenten Prozess.

Was bedeutet das konkret auf das Pergamonmuseum bezogen?

Ich bin überzeugt, dass diesem Haus mit der Wiedereröffnung des Teilabschnitts mit dem neu eingerichteten Museum für Islamische Kunst und auch mit dem zentralen Altarsaal im Frühjahr 2027 eine große Aufmerksamkeit zukommen wird. Das wird ein sensationeller Auftritt. Bis dahin sind es nur noch zwei Jahre. Dieser Ort wird sich verändern und wieder ein Anziehungspunkt für die Menschen werden.

Ende Januar beschloss der Deutsche Bundestag das neue Gesetz für die SPK und hat so dem 2020 begonnenen Reformprozess einen gesetzlichen Rahmen gegeben. Im März haben der Bund und die Länder ein neues Finanzierungsabkommen für die SPK unterzeichnet. Ab 2026 bekommt die SPK jährlich zwölf Millionen Euro mehr, wovon der Bund neun Millionen Euro beitragen wird. Das ist angesichts der aktuellen Sparpolitik ein Erfolg. Trotzdem gilt die Stiftung mit ihren zweitausend Mitarbeitern und einem Jahresetat von gut 400 Millionen Euro als notorisch unterbesetzt und unterfinanziert. Wie bewerten Sie die Lage?

Dass wir diese neue gesetzliche Grundlage haben, ist gut und wichtig und ein großer Erfolg als Rahmen für die künftige Arbeit. An den politischen Gesprächen im Vorfeld mit verschiedenen Abgeordneten des Bundestages waren Hermann Parzinger und ich in gegenseitiger Absprache beteiligt. Ich denke, das war wirkungsvoll und gut. Und darauf aufbauend geht es jetzt um die Satzung und die Geschäftsordnung, das soll bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. In diesem Prozess gibt es auch Möglichkeiten der Mitgestaltung für mich, die sehr wirkungsvoll sind. Und jetzt geht es natürlich darum, mit der neuen Bundesregierung und vor allem mit dem neuen Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien über den Bedarf der SPK zu sprechen.

Das bedeutet?

Es geht um die strukturelle Grundsicherung, denken Sie allein an die gestiegenen Kosten für Energie, Aufsichten und Sicherheit. Und es geht um das »Thinking big« hinsichtlich unserer großen internationalen Aufgaben.

Welche Bedeutung haben Ostmitteleuropa und Osteuropa für die Stiftung?

Die Beschäftigung mit Ostmitteleuropa und Osteuropa gehört für mich zu den SPK-übergreifenden Themen. Verschiedene Häuser planen bereits Ausstellungen und es gibt auch eine großartige Zusammenarbeit mit polnischen Einrichtungen im Restaurierungs-bereich. Da sind also Felder, die man noch stärker vernetzen und aus verschiedenen Perspektiven beleuchten könnte. Ganz grundsätzlich erscheinen mir die Verbindungen nach Ostmitteleuropa und Osteuropa sehr wichtig und sollten weiter ausgebaut werden.

Internationale Vernetzung ist essenziell geworden.

In dieser gegenwärtigen Fragilität Europas möchte ich nicht allein für Berlin denken, sondern mit anderen Ländern gemeinsam unserer europäischen Verantwortung noch stärker gerecht werden. Ich weiß etwa, dass auch meine Kollegin Laurence des Cars, Präsidentin des Louvre in Paris, dieses große Interesse teilt. Wir werden also gemeinsam den Blick noch stärker nach Ostmitteleuropa richten.

Wie können die Berliner Museen zukünftig an Relevanz gewinnen?

Ganz sicher müssen wir unsere Ko-operationen radikal interdisziplinär und global denken. Es geht darum, möglichst viele Allianzen zu schmieden – auch innerhalb der SPK. Und damit kann man dann das Programm intensivieren. In den Museen ist bereits unglaublich viel in Bewegung, bei einigen gibt es seit kurzem neue Leitungen, bei anderen steht ein Generationswechsel bevor. Bei all dem muss man gleichzeitig darauf achten, dass der Wissenstransfer funktioniert, dass eine Kontinuität und Stabilität im Inneren gewährleistet ist. Und es bleibt wichtig, die Forschung weiterhin in den Mittelpunkt zu stellen. Die Wissenschaft wollen wir noch stärker mit Digitalität verbinden.

Wie werden Sie das bewerkstelligen?

In Dresden lief seit 2008 das Daphne-Projekt, ein Recherche-, Erfassungs- und Inventurprogramm für mehrere Millionen Objekte. Der gesamte Bestand der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden wurde in einer eigens für diesen Zweck entwickelten Museumsdatenbank erfasst und abgebildet. Damit wurde eine Datengrundlage für die Inventarisierung und Bewertung der Objekte geschaffen. Etwas Vergleichbares in dieser Größenordnung gibt es bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz bislang nicht. Ich denke, dass die SPK in den nächsten Jahren hier einen Schwerpunkt entwickeln muss. Auf diese Weise lassen sich Forschung, Kontextualisierung und Provenienzforschung massiv beschleunigen und die weltweite Online-Präsenz der Sammlungen ausbauen.

Warum ist Tempo so entscheidend?

Bei der derzeitigen Geschwindigkeit sprechen wir über Zeiträume von Jahrhunderten bis wir die Digitalisierung aller Sammlungen erreicht hätten. Dieser Prozess muss beschleunigt werden. Und deshalb freue ich mich, dass wir jetzt ein Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung haben und die Digitalisierung Teil des Koalitionsvertrags ist.

Das klingt nach Digitalisierungsstau.

Nicht ganz. Im 3D-Bereich hat die SPK sehr große Stärken entwickelt. Das lässt sich gut für die Profilbildung nutzen. Da können wir deutschlandweit modellhaft Hilfestellungen und Serviceleistungen für andere Einrichtungen anbieten. Denn die 3D-Digitalisierung, der Prozess der Erfassung und Umwandlung physischer Objekte in digitale 3D-Modelle, ist im künstlerischen und kulturellen Bereich nicht nur rein technisch, sondern auch hinsichtlich der Ästhetik extrem interessant. Wir richten deshalb einen neuen Schwerpunkt in 3D-Digitalisie-rung für alle Einrichtungen ein.

Und wie ließe sich die Relevanz der Stiftung noch steigern?

Natürlich muss sich die Stiftung im Zusammenhang mit der digitalen Kultur denselben Fragen stellen, mit denen sich die gesamte Gesellschaft konfrontiert sieht, etwa wenn es um die ethischen Dimensionen von Künstlicher Intelligenz geht oder um Social Media. Insgesamt müssen wir noch offensiver als bisher in dieser Gesellschaft die Bedeutung von Kultur-einrichtungen betonen. Es gilt, unsere Fragestellungen noch stärker mit den Fragen zu verknüpfen, die die Menschen gerade umtreiben.

Auch international?

Auch international, ja. Beispielsweise haben wir immer noch keine Antwort auf das »Green Protocol« gegeben. Seit zwölf, fünfzehn Jahren wird international über Richtlinien verhandelt, die Museen helfen sollen, Lösungen für die Klimakontrolle zu finden, die sowohl für die Objekte sicher sind als auch den Energieverbrauch und die Kohlendioxidemissionen reduzieren. Es braucht Modelle, wie sich die deutschen Museen dazu verhalten können. Da müsste die SPK führend sein.

Initiativen in Richtung Klimaneutralität gibt es bereits.

Die SPK will bis 2035 klimaneutral werden. Das ist ein gutes Ziel. Es gibt Einrichtungen, die schon Modelle für ganz konkrete Energieeinsparmöglichkeiten entwickelt haben. In diesem Zusammenhang ist es gut, dass die Pläne für Berlin Modern, das gerade im Bau befindliche Museum des 20. Jahrhunderts am Kulturforum, im Sinne einer besseren Klimabilanz nochmal nachgearbeitet wurden. Vielleicht kann man beim Umgang mit Klimawandel und Klima-krise nicht alles abdecken, aber wir müssen unsere Haltung deutlich formulieren. Wo es sinnvoll ist, müssen wir Kompass sein, auch für andere Einrichtungen in Deutschland.

Ein Teil des Kulturbetriebs gehört nach wie vor zu den Vielfliegern.

Es bleibt kompliziert. Um international relevant zu bleiben, brauchen wir die Reisen. Gerade in einer Gegenwart, in der es in vielen Ländern politisch komplexer wird, ist es umso wichtiger, dass sich Menschen persönlich begegnen. Aus dieser Perspektive sind Reisen essenziell. In anderen Bereichen sehe ich aber durchaus Einsparmöglichkeiten, etwa bei der Kurierbegleitung von Objekten. Da muss ein Umdenken einsetzen.

Sie kennen Berlin schon lange.  Welche Rolle spielen die Museen in der Hauptstadt?

Berlin ist eine internationale Stadt. Deshalb gibt es keine ausgeprägte soziale Homogenität. Die Lebendigkeit der Stadt entspringt vielmehr der Vielfalt der Communitys. Für die Museen birgt das große Chancen. Über die Sammlungen lassen sich die Communitys aktivieren. Dafür gibt es bereits gute Beispiele. Nehmen Sie etwa das 2015 vom Museum für Islamische Kunst initiierte Projekt »Multaka«. Es zielt darauf ab, den interkulturellen Austausch durch die aktive kulturelle Beteiligung von Menschen mit Migrations- oder Fluchterfahrung zu fördern. Wir müssten wahrscheinlich noch mehr ausdifferenzieren, um die Verbindung zwischen den Menschen und den Museen zu stärken. Ich habe auch schon überlegt, ob man Kiezprogramme starten sollte. Die Berliner identifizieren sich stark über ihre Kieze, Nachbarschaften und Stadtteile.

Und die Kultur?

Berlin ist natürlich eine Kulturstadt. Ohne die Kultureinrichtungen wäre Berlin undenkbar. International ist das Image von Berlin nach wie vor stark mit einem Freiheitsbegriff verbunden. Gerade auch für Menschen aus dem LGBTQ-Bereich, die international, sogar in anderen Ländern Europas, unter Druck geraten. Viele denken darüber nach, nach Berlin zu ziehen, weil die Stadt immer noch ein Stück Freiheit und Toleranz verspricht. Das ist auch durch die reiche Berliner Kulturlandschaft bedingt. Viele SPK-Einrichtungen sind wichtige Orte für Menschen in der Diaspora geworden; das Ibero-Amerikanische Institut etwa bietet eine Plattform für lateinamerikanische Communitys, der Hamburger Bahnhof engagiert sich in der Nachbarschaft. Ich bin der Auffassung, dass gerade die Kultur-institutionen für alle da sind, und damit insbesondere auch für Minderheiten. Sie müssen sich ganz besonders auch dem widmen, was oft nicht im Mittelpunkt steht. So gesehen ist die Vielfalt Berlins das perfekte Pendant für die kulturellen Einrichtungen mit ihren mannigfaltigen Angeboten.

Dennoch könnten die Besuchszahlen besser sein?

Im internationalen Vergleich könnten die Zahlen besser sein. Ein Faktor sind sicher die Schließzeiten bei Bauarbeiten auf der Museumsinsel beispielsweise gab es in den letzten Jahrzehnten keinen Moment, in dem tatsächlich alle Häuser offen waren. Als das Neue Museum eröffnet wurde, war ein Teil des Pergamonmuseums bereits geschlossen. Wenn ab 2027 große Teile des Pergamonmuseums wieder für Besucher geöffnet sind, wird dies sicher etwas verändern. Aber der Frage nach den Zahlen müssen wir uns stellen, gerade an den anderen Standorten.

An welche Maßnahmen denken Sie?

Es muss Programme geben, um die Besuchszahlen insgesamt zu verbessern. Im Rahmen des Museumsinsel-Jubiläums etwa, das eine Laufzeit von fünf Jahren hat, gibt es den Anspruch: Jede Schulklasse, jedes Schulkind sollte mindestens einmal auf der Museumsinsel gewesen sein. In diese Richtung müssen wir weiterdenken.

Wie wollen Sie mit privaten Sammlungen umgehen?

Die Devise meiner Vor-Vorgängergene-ration hieß noch: »Wir sammeln Sammler«. Um die reine Quantität geht es heute nicht mehr. Jetzt sollten wir gemeinsam über nachhaltige Formen der Kooperation nachdenken. Wir müssen uns über die Frage austauschen: Was ist in diesen Zeiten der gemeinsame Mehrwert? Die optimale Lösung für ein Museum ist natürlich, Schenkungen zu bekommen. Weil es um öffentliche Räume geht, bin ich für möglichst feste Verbindlichkeiten. Aber ohne die Sammler wären die Museen nicht da, wo sie heute sind.

Also geht es vorrangig um Konsolidierung des Erreichten?

Natürlich spüren viele Einrichtungen die Grenzen des Wachstums. Wir bekommen jetzt das zusätzliche Depot in Friedrichshagen, aber es geht nicht nur um Räume, sondern um Kapazitäten insgesamt. Es bleiben Grenzen, wir müssen konsolidieren. Auch das ist eine Aufgabe in meiner Amtszeit. Das bedeutet, wir müssen das richtige Maß finden. Ich setze da auf die offene und transparente Kommunikation mit den Menschen, die uns verbunden sind, die etwas Gutes tun wollen.

Ist »Deaccessioning«, also »Entsammeln«, ein Thema für Sie?

Das spielt weltweit eine größere Rolle als früher, aber es geht insgesamt bei vielen Themen um veränderte Herangehensweisen. Zum einen natürlich bei Restitution und Reparation, freiwilligen Rückgaben. Da gibt es heute eine neue Haltung. Auch in Bezug auf Gemeinschaftserwerbungen, nach der Idee »Sharing is the new having«. Denken Sie an die gemeinsame Erwerbung des »Karlsruher Skizzenbuchs« von Caspar David Friedrich durch die Klassik Stiftung Weimar, die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz im vergangenen Jahr. Da verändert sich gerade viel. Und das finde ich auch gut.

Wie blicken Sie auf das Kulturforum?

Das Kulturforum entwickelt sich gerade mit großer Dynamik, parallel zur Museumsinsel. Es ist ein großartiger Ort, mit allem, was die Stiftung ausmacht: Museen, Bibliotheken, Forschungseinrichtungen. Es ist außerdem in den letzten Jahren viel grüner geworden. Und es ist toll, dass es mit dem im Zuge der Reform neu geschaffenen Museumsteam eine andere Form der Zusammenarbeit gibt, aufbauend auf einer Vernetzung, die in den letzten Jahren bereits angestoßen wurde. Aus Gesprächen weiß ich: Ein schöner Aspekt oder Mehrwert der Reformen ist, dass die Mitarbeitenden sich viel häufiger als früher treffen und gemeinsam über die Entwicklung des Kulturforums nachdenken. Dadurch entsteht eine produktive Atmosphäre. Mit der Neuen Nationalgalerie gibt es eine eigene, international starke Marke am Platz. Bald kommt mit Berlin Modern ein neues großes Museum dazu. In Zukunft wird das Kulturforum noch stärker als räumliche Einheit und als Marke wahrnehmbar sein und glänzen.

Wird es abgesehen davon weitere bauliche Veränderungen geben?

Im Moment ist in der Diskussion, ob die in den 1980er-Jahren vom Architekten Rolf Gutbrod entworfene Piazzetta, also die Treppenanlage, abgebaut wird. Und wenn die Staatsbibliothek von Hans Scharoun an der Potsdamer Straße saniert und modernisiert wird, verändert sich der Standort selbstverständlich auch, geplant ist da eine Durchwegung. Das sind sehr langfristige Veränderungen, die noch nicht morgen kommen. Aber Sie sehen, das ganze Kulturforum wird wachsen und gedeihen. Ganz wichtig ist die stadträumliche Zusammenbindung und einen lebenswerten Ort zu schaffen.

Und wie sieht es beim Humboldt Forum aus?

Das Humboldt Forum ist hochkomplex und hat eine komplizierte Struktur. Alle sind sich einig, dass diese Struktur verbessert werden muss. Aber ich bin ein großer Fan des Humboldt Forums. Diese positive Energie muss genutzt werden.

Welche Verbesserung streben Sie an? Im Humboldt Forum findet ein großartiges Programm statt, aber die Museen müssen sichtbarer sein. Außerdem könnte es noch stärker im Sinne des Publikums und der Vertreterinnen und Vertreter der Herkunftsgesellschaften gedacht werden. Für sie ist das Humboldt Forum eine Einheit.

Interview: Kito Nedo

Fotos: Jé­rôme Depierre

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