Behind The Doors #3
Farewell to our Master of Design: Georg von Wilcken
Schon zum dritten Mal klopfen wir für unsere Reihe Behind The Doors an eine der vielen bunten Türen im Podewil und schauen, wer dahinter sitzt und woran dort gerade gearbeitet wird. Neben den zahlreichen Teams, die hier in den Büros an beständigen und temporären Projekten arbeiten, gibt es auch ein paar Abteilungen, die mit nicht weniger als allen Projekten verbunden sind. Eine davon: die Grafikabteilung. Diese Abteilung leitet Georg von Wilcken. Und auch, wenn wir das nur schweren Herzens sagen, wird er nicht mehr lange für Kulturprojekte arbeiten, denn Ende des Jahres geht Georg in seinen wohlverdienten Ruhestand.
Umso mehr haben wir uns gefreut, dass wir mit ihm noch einmal über seine Arbeit, seine Sicht auf Kulturprojekte und natürlich auch über die zukünftigen Pläne sprechen konnten. Denn eins ist klar: Dieser Mann wird hier fehlen.
Georg ist ein Mensch, in dessen Nähe man sich sofort wohl fühlt. Er bringt einen zum Lachen, ist aufmerksam und überall, wo man hingeht, freuen sich die Leute ihn zu sehen. In seinem Büro sieht es so aus, wie man es sich in einer grafischen Abteilung voller Kreativität so vorstellt: Geregeltes Chaos an allen Ecken und Enden. Hier ein Modell der in kürze eröffnenden Ausstellung “REVOLUTION MACHT REPUBLIK!” im Abgeordnetenhaus von Berlin, dort eine Flut an Papiermustern und Proofs und an der Wand fertig gestellte Produkte, aktuell z.B. unser Kulturprojekte-Kalender 2019.
Wie man bei allen Projekten, die hier zusammenlaufen, Herr über die Lage bleibt? Hohe Konzentration und vor allem auch immer wieder Humor. Was wir sonst noch alles Spannendes erfahren durften, lest ihr im Interview.
Was passiert hinter Deiner Tür?
Ich bin Leiter der Grafikabteilung und in fast allen Phasen der Projekte, die hier im Haus entwickelt werden, mit dabei. Ich erfahre schnell, was die Themen sind und in welchen Zeitraum etwas erarbeitet werden muss. Ich bin nicht in alle Konzeptphasen eingebunden, aber werde immer wieder an bestimmten Stellen dazu geholt und kann dann reflektieren, was die Konsequenzen für das Design sein werden. Ein Konzept kann ja noch so ausgeklügelt sein, aber funktionieren muss es visuell und die Leute ansprechen, damit sie schnell erfassen, worum es bei den teilweise sehr komplexen Themen geht, die wir manchmal behandeln. Es ist gut, wenn es ein Ping-Pong gibt zwischen den Leuten, die das Konzept inhaltlich entwickeln und den Designern, die dem Ganzen eine Form geben. Da bin ich sozusagen ein Vermittler. Ich habe natürlich aufgrund meiner Ausbildung als Designer immer den Betrachter, Benutzer, Besucher, also den Endverbraucher im Kopf, wie er das visuell wahrnimmt, aber ich verstehe auch, was die Kolleginnen und Kollegen transportieren wollen, die das Konzept entwickeln.
Was ist Kulturprojekte Berlin für Dich? Wie würdest Du beschreiben, was hier passiert?
Kulturprojekte ist wahnsinnig viel, auch weil es hier so viele Projekte gibt. Aber der größte Anteil, der bei uns in der Designabteilung bearbeitet wird, sind die temporären Projekte, die manchmal bis zu zwei Jahre Vorbereitungszeit haben. Kulturprojekte definiert sich über die stadtweiten Projekte, die Vernetzung von Partnern. Oft sind es auch Projekte, die mit der Geschichte der Stadt zu tun haben, sei es der Mauerfall oder aktuell die Novemberrevolution von 1918. Dann natürlich auch die Berlin Art Week und die Lange Nacht der Museen. Das Wesentliche und das Interessante an Kulturprojekte ist, neben der Vernetzung von Partnern, die in einem Genre wie Museen oder Kunst arbeiten, dass wir die Themen in den öffentlichen Raum bringen und damit ein anderes Publikum ansprechen als die Institutionen, die ihre Vermittlungsarbeit in ihren Häusern machen. Wir präsentieren die Themen auf den Straßen und Plätzen und treffen auf den interessierten oder eben auch nicht interessierten Passanten. Wir arbeiten niedrigschwellig und erreichen Menschen, die normalerweise nicht in Museen, Gedenkstätten oder Ausstellungen gehen. Das finde ich super spannend, weil wir damit eine Vermittlungsarbeit machen, die über die normalen Angebote hinausgeht.
Georg, Du bist ja leider nicht mehr lange hier.
Ja genau, zum 31. Dezember verlasse ich Kulturprojekte und gehe in den “Ruhestand”. Damit habe ich aber auch schon 2 Jahre verlängert. Die Arbeit hat mir solchen Spaß gemacht, auch mit dem gesamten Team, dass ich 2016 gesagt habe, jetzt einfach aufhören fühlt sich komisch an. Von Moritz van Dülmen kam damals das Angebot nochmal 2 Jahre zu verlängern und das habe ich gern angenommen. Jetzt merke ich aber auch, dass es für mich genug ist. Es ist eine Arbeit, bei der eine ständige hohe Konzentration gefordert ist. Egal, welches Projekt hier im Haus läuft, die Designabteilung ist ein Nadelöhr und alles will in irgendeiner Form gestaltet werden. Also heißt es für mich, alles auf dem Schirm haben, alle Aufgaben koordinieren, anleiten und supervisieren. Das betrifft die Kolleginnen und Kollegen hier im Haus und manchmal bis zu zehn Freelancer, die für Kulturprojekte arbeiten. Da kann man auch nicht sagen, man macht das jetzt mal etwas langsamer. Am Ende ist es auch eine Frage der Kraft. Deswegen ist es besser jetzt aufzuhören, wenn alles noch gut läuft, als dann irgendwann ins Schleudern zu kommen.
Wie hast Du die Zusammenarbeit im Haus erlebt?
Immer unterschiedlich natürlich, aber von der Atmosphäre her immer gut. Das zeichnet die Kulturprojekte aus. Die Leute, die hier arbeiten sind sympathisch, unkompliziert, unkonventionell und nicht bürokratisch, was die Arbeit sehr angenehm macht. Das ist aber auch notwendig, da die Projekte und ihre Entwicklung ihre ganz eigene Dynamik haben, teilweise sehr komplex sind und manchmal auch alles eine gigantische Form an Quantität annimmt. Da arbeiten dann manchmal parallel in unterschiedlichen Projekten bis zu hundert Leute auf ihre speziellen Ziele hin.
Was nimmst Du als besondere Erfahrung nach all diesen Jahren mit?
Es gibt da viele besondere Erfahrungen. Mehrere Projekte gleichzeitig zu betreuen, voranzutreiben, zu koordinieren bedarf einer besonderen Methode. Und es gibt besondere Erkenntnisse für mich, die ich am Besten in Bildern ausdrücken kann. Da gibt es das Bild des Jongleurs. Mehrere Bälle gleichzeitig in der Luft halten und wenn ein Ball plötzlich Feuer fängt, dann wird schnell ein Eimer mit Wasser darunter gehalten, um den Ball zu löschen und ihn wieder in die, weiterhin in die in der Luft tanzenden Bälle, einzugliedern.
Da gibt es das Bild einer Straßenkreuzung, auf die sich von allen Seiten viele Fahrzeuge dichtgedrängt zubewegen. Nun kommt es darauf an, alle Fahrzeuge annähernd gleichzeitig über die Kreuzung zu bekommen. Es ist da besser, sich an die Abläufe einer Straßenkreuzung in einer indischen Großstadt zu halten, die keine Ampeln hat und wo jeder mit jedem auf Tuchfühlung und kommunizierend sich vorwärts bewegt, als an das Regelwerk in einer deutschen Großstadt, die mit einer erstklassigen Ampelanlage die Verkehrsteilnehmer gutgemeint aber eben tröpfchenweise und mit langen Verzögerungen am Vorwärtskommen hindert.
Ist es für Dich als Grafikdesigner so, dass Du durch die Straßen läufst und Designs automatisch analysierst?
Natürlich, es ist im Wesentlichen so, dass man alles um einen herum auf visuelle Aspekte untersucht. Erstmal rein formal, ob es einem gefällt oder nicht, wie es komponiert wurde, wie Formen und Farben wirken, also alles, was die Ästhetik angeht. Und dann schaue ich, ob das, was man sieht, auch den Inhalt transportiert. Da fängt man manchmal an zu lächeln oder auch den Kopf zu schütteln, weil ein Plakat von kleinteiligen Text- und Bildelementen sowie Störern überschwemmt ist und man dann noch nicht mal versteht, ob ein Produkt präsentiert wird, ob man zu einer Veranstaltung gehen soll bzw. ob man etwas kaufen soll. Oder aber, man versteht nach anderthalb Sekunden, worum es geht und ist dann ganz beglückt über die tollen Möglichkeiten von Design.
Was denkst Du wirst Du nach Kulturprojekte machen?
Darüber habe ich mir natürlich hin und wieder Gedanken gemacht und die Gedanken werden auch intensiver. Ein sehr guter Freund von mir, der schon seit ein einiger Zeit nicht mehr arbeitet, hat mir geraten, man soll sich nicht zu viel vornehmen und vor allem nicht denken, man müsste jetzt seinen Alltag wieder vollstopfen mit anderen Aktivitäten um das zu ersetzen, was man dann nicht mehr hat. Wenn man Ersatz für etwas sucht, bleibt es eben nur ein Ersatz. Und Ersatz fühlt sich immer blöd an. Der Freund sagte mir, ich solle es wie im Supermarkt machen: Einfach unverbindlich durch die Gänge gehen, sich in den Regalen alles ansehen, ausprobieren, nach und nach realisieren, was einem gefällt und gut tut oder eben auch nicht. Das ist meine Hoffnung, dass nach einer gewissen Zeit irgendetwas aufploppt oder mir in die Quere kommt, bei dem ich sage, das macht Sinn, damit kann ich mein Leben füllen. Ich weiß aber noch nicht, was es sein könnte. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht, Design könnte ich zwar weiter machen, aber das habe ich schon 37 Jahre gemacht und jetzt kann auch gern was Neues kommen.
Ein großes Dankeschön an Georg von Wilcken für das Gespräch!
Das Gespräch führte Saskia Wichert, die als freischaffende Autorin für unseren Kulturprojekte Berlin-Blog tätig ist.