Im Dienste der Arbeiterklasse
Kunst um der Kunst willen war ihm zuwider: Das Werk des Bildhauers Peter László Péri ist ein soziales und gesellschaftliches Bekenntnis
Peter László Péri emigrierte 1933 von Berlin nach London. Verfolgt aus politischen und rassistischen Gründen, war dem gebürtigen Ungarn die deutsche Hauptstadt nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten keine Heimat mehr. Dabei hatte er hier zunächst beachtliche Anerkennung erfahren. Seit 1920 arbeitete der Bildhauer in Deutschland. Der renommierte Galerist Herwarth Walden stellte seine Beton- und Holzskulpturen sowie seine Raumkonstruktionen Anfang der 1920er-Jahre zusammen mit Werken von László Moholy-Nagy gleich mehrfach aus, produzierte ein Mappenwerk und zeigte seine Arbeiten auch in der Galerie-Zeitschrift »Sturm«. 1923 zierte eine der Raumkonstruktionen sogar das Titelblatt.
Doch Peter László Péri selbst zeigte sich zunehmend unzufrieden mit seiner Arbeit und seinem künstlerischen Umfeld. In der vornehmlich praktizierten Abstraktion sah er einen »konstruktiven Ästhetizismus«, der den Lebensrealitäten der Unterschichten kaum entspräche. Zwar schrieb der ungarische Autor Ernő Kállai noch 1925 eben diesem Werk eine politische Ausdruckskraft zu, indem er ausführte: »In ihrer Monumentalität, in ihren dunkelbraunen, grauen und schwarzen Tönen ist das Gefühl einer niedergezwungenen, aber trotzdem emporstrebenden Kraft verkörpert. Peri ist Sozialist. Das düstere Pathos seiner Raumkonstruktionen wirkt als drohend zusammengeraffte, ragende Konzentration anonymer Massenkräfte«. Doch Péri hatte sich zu diesem Zeitpunkt schon vom Kunstschaffen distanziert und war von 1924 bis 1928 als Architekt am Berliner Stadtbauamt tätig. In der Architektur sah er zunächst eine Möglichkeit, den Belangen der Arbeiterklasse zuzuarbeiten. Doch auch dieses Ansinnen scheiterte. Schließlich arbeitete er zunehmend figurativ – um seiner politischen Haltung Ausdruck zu geben. Nur wenige Arbeiten aus dieser Zeit sind erhalten. Denn 1933 sahen er und seine britische Ehefrau, Mary Macnaghten, sich gezwungen, aus Deutschland zu fliehen und nach England zu emigrieren. Hier wurde der Künstler rasch in politischen Kreisen aktiv, war Mitbegründer der Artists International Association – eines Verbands, der sich um exilierte und emigrierte Künstler*innen kümmerte und Ausstellungen organisierte. Péris Spätwerk im Exil ist figurativ. Auch im Werkstoff vollzieht er eine deutliche Wende: Anstelle von Bronze arbeitet er nun vornehmlich in Beton. »Pericrete« – dem englischen Wort für Beton (»concrete«) und seinem Namen entlehnt – bezeichnet eine von ihm entwickelte Technik, bei der der Werkstoff farbig gefasst wird. Zwar konnte László Péri noch in den 1930er-Jahren erste Ausstellungen in seiner neuen Heimat umsetzen, doch der große öffentliche Durchbruch, vor allem aber wirtschaftlicher Erfolg blieben ihm verwehrt. Selbst die öffentlichen Aufträge für Kunst am Bau konnten die missliche finanzielle Situation nicht auffangen. Péri lebte bis zu seinem Tod 1967 in einfachen Verhältnissen. Still und zurückgezogen war er indes nicht. Auch im Londoner Exil blieb er seinen politischen Idealen treu und meldete sich wiederholt diesbezüglich zu Wort. Insbesondere dann, wenn es um die Rolle der Kunst in der Gesellschaft ging. 1954 schrieb er in einem Beitrag des »Architectural Association Journal«, dass Bildhauer oft behaupteten, Architekten hätten kein Interesse an der Skulptur. Das wäre, »natürlich nicht zutreffend«, so Péri. »Formal war sie in Gänze Teil der Architektur und ihr Inhalt war Spiegelbild des sozialen Lebens. Dies war in Europa bis zum Beginn der Renaissance der Fall. Aber dann begann sich die Einstellung zur Bildhauerei zu verändern«, schrieb Péri. »Skulptur war nicht länger zentraler Bestandteil eines Gebäudes, sondern wurde zunehmend dekoratives Element.« Auf ein solches Element könnte man als Bauherr nur allzu gut verzichten, wenn es darum ginge, die Kosten niedrig zu halten.
Péri trat – selbst immer wieder mit Kunst im öffentlichen Raum beauftragt – als vehementer Befürworter einer baubezogenen Plastik auf, forderte aber zugleich ein soziales und gesellschaftliches Bekenntnis. Kunst solle und dürfe nicht ohne die Belange der Bevölkerung gedacht werden. Eine Kunst um ihrer selbst willen war ihm zuwider. In diesem Licht sind auch die in der Ausstellung gezeigten Arbeiten zu verstehen: als sich zurücknehmender Blick eines Porträtisten seiner Zeit. Péri fokussierte in seinen farbigen Reliefs und Porträtbüsten nahezu ausnahmslos auf Darstellungen der ärmeren Bevölkerungsschichten, klagte vielfach aber auch politische Missstände an. Insbesondere in seinen grafischen Zyklen kommt dies zum Ausdruck. Es wundert wenig, dass sich sein kritischer Blick auch immer wieder auf Deutschland richtete – jenes Land, aus dem er vertrieben wurde und in dem er so zahlreiche Werke unwiederbringlich zurücklassen musste. Ganz brach er den Kontakt in seine alte Heimat allerdings nicht ab. Im politischen System der DDR sah er das bessere Deutschland, beteiligte sich Ende der 1950er-Jahre sogar an einem internationalen Grafikwettbewerb in Leipzig und hielt enge, freundschaftliche Kontakte zu links-politisch aktiven Intellektuellen in Ost-Berlin.
Haben Peter László Péris frühe Werke der 1920er-Jahre jüngst vermehrt öffentliche Anerkennung erfahren, so ist das Werk, das nach seiner Emigration entstand, weitgehend unbekannt. Auf diesen Teil des künstlerischen Œuvres fokussiert nun die Ausstellung im Kunsthaus Dahlem.
Text – Dorothea Schöne, künstlerische Leiterin